Ein Erfahrungsbericht nach zwei Saisons mit “nur” 11 Gängen.

Es begann alles ungefähr im Jahr 2015, als ich mir Gedanken über die Ablösung meines All-Mountain Bikes machte. Mein Meta mit dem Baujahr 2012 hat mich bis zu diesem Zeitpunkt weit gebracht. Ein paar Dinge waren aber nicht mehr so Zeitgemäss wie zum Beispiel die 26 Zoll Räder, oder die 2×10 Schaltung. Mir war auch bewusst, einige meiner favorisierten Bikes für die Zukunft, bieten keine Möglichkeit eine Schaltung mit Umwerfer zu verbauen. Somit musste ich mich darauf einstellen dass mein zukünftiges Bike nur noch 11 oder 12 Gänge besitzen wird. Zu Beginn des Jahres 2018 war es dann soweit. Die Entscheidung für die Nachfolge war gefallen. Ganz modern, viel Federweg, zeitgemässe Geometrie, viel Karbon und eben nur eine 11-Gangschaltung.

Natürlich habe ich mich zuvor intensiv mit dem Thema Antrieb auseinander gesetzt. Wer mich etwas näher kennt, weiss dass diese Gedankenspiele sehr analytisch abgehandelt wurden. Die Ansprüche an den Antrieb waren klar definiert:

  • Tourentauglichkeit > homogene Gangsprünge der leichten Gänge
  • Gewicht > leichter ist besser
  • 2-Way Release und Multi-Way Release (also keine SRAM-Schaltung)
  • Leichtester Gang identisch zu meinem alten Bike

Abstufung und Bandbreite

Der aus meiner Sicht grösste Kritikpunkt an den bestehenden Einfachsystemen (Stand Dezember 2017) ist die nicht homogene Abstufung der Gänge. Diesem Faktor wurde zu Gunsten der Bandbreite zu wenig Beachtung beigemessen. Shimano bot zu dieser Zeit die 1×11 Schaltung (11-46) mit einem Rettungsring an. Das heisst, die grössten drei Zahnkränze wurden als Weiterentwicklung der bestehenden Kassette auf den Markt gebracht, um den Anschluss an die 12 Fach-Schaltung von SRAM nicht ganz zu verlieren.
Aber warum interessiert uns die Abstufung? Man stelle sich vor: letzter Anstieg von 300 HM bei einer Tagestour, die letzten Energiereserven sind mobilisiert… ABER, der leichteste Gang ist zu leicht, und Zweitleichteste zu schwer. Dazwischen befindet sich das Verkaufsargument des Verkäufers: mit einer 12 Fach-Schaltung ist auch alles möglich. In diesem Moment wünscht man sich die alte 3×9 Schaltung zurück, weil diese Lücke nicht existent war.

Betrachten wir nun aber dieses Thema etwas detaillierter.
Grundlage für diese Analyse ist die alte 2×10 Schaltung meines Meta’s, und eine 3×10 Schaltung von Shimano. Zudem wird ein Radumfang von 2237 mm verwendet, was einem 27.5 Zoll (650B) Rad mit einem 2.4 Zoll Pneu entspricht. Für eine weitere Vereinfachung bei den Einfachsystemen sorgt ein 32er Zahnrad an der Kurbel, welches für alle Berechnungen der 1x Antriebe simuliert wurde.

Analyse der Entfaltung in mm pro Kurbelumdrehung. Für eine gute Vergleichbarkeit wurden die 3×10 und 2×10 Antriebe vereinfacht dargestellt. Die Sprünge in der Grafik signalisieren den Wechsel der Kette auf das nächst grössere/kleinere Kettenblatt per Umwerfer.

Mit Absicht erscheint in meinem Beitrag nirgends die Zahl 500 als Messgrösse in Prozent der Bandbreite zwischen dem leichtesten und den schwersten Gang. Denn aus meiner Sicht sollte die Abstufung prioritärer behandelt werden als die Bandbreite. Betrachten wir die Grafik der Entfaltung (eine Umdrehung der Kurbel entspricht der Anzahl mm Vortrieb) können wir erkennen dass der gute alte 3×10 Antrieb immer noch das Mass aller Dinge ist. Setzen wir dem die Vorteile des 1x Antriebes gegenüber (siehe Fazit) würde der neue Shimano 1×12 Antrieb gewinnen.

In der nachfolgenden Grafik kann man erkennen, die Abstufung homogen gestalten, ist keine einfache Aufgabe. Mein Augenmerk liegt vor allem auf den letzten (leichtesten) drei Gängen. Je grösser die Differenz zwischen den Gängen desto “unrunder” erscheinen der Bikerin, dem Biker, die Gangwechsel.

Analyse der Abstufung zwischen den einzelnen Gängen in mm pro Kurbelumdrehung. Für eine gute Vergleichbarkeit wurden die 3×10 und 2×10 Antriebe vereinfacht dargestellt. Die Sprünge in der Grafik signalisieren den Wechsel der Kette auf das nächst grössere/kleinere Kettenblatt per Umwerfer.

Meine Wahl

Das Rennen hat am Ende die Garbaruk Kassette mit einer Bandbreite von 11-48 Zähnen, kombiniert mit einem 32er Kettenblatt an der Front gemacht. Als Schaltwerk arbeitet ein Shimano XT M8000 Schaltwerk mit dem Schalter aus derselben Serie. Das Schaltwerk wurde mit dem mitgeliefertem Garbaruk Käfig erweitert.

Fazit

Nach zirka 100’000 gefahrenen Höhenmeter vermisse ich die Zwei- oder Dreifachschaltung nicht. Es gab vielleicht eine einzelne Situation in der ich mir schwerere Gänge gewünscht hätte, um den Anschluss an die Kollegen nicht zu verlieren. Aber ich war immer wieder froh mir die vielen Gedanken über die Abstufung gemacht zu haben. Diese haben mein Enduro in ein absolut tourentaugliches Bike verwandelt.

Vorteile
Die Vorteile sind vielfältig. Das Bike ist im Handling einfacher geworden. Die Entwicklung der Rahmen lässt viel mehr Freiheit in der kinematischen Gestaltung zu. Ohne den Umwerfer kann mit dem Schaltwerk mehr Kettenspannung erzeugt werden, was das nervende Scheppern der Kette minimiert. Zudem ist mir in den zwei Saisons die Kette nicht mehr ausgefallen. Bei all den Vorteilen ergeben sich natürlich auch Nachteile…

11 oder 12 Fach
Diese Frage kann ich nicht generell beantworten. Klar, ein Gang mehr in derselben Bandbreite ergibt eine homogenere Abstufung. Man sollte sich aber folgendes bewusst sein:

Service
Egal ob 12 oder 11 Gange, ein Einfachsystem ist wartungsintensiv. Zudem ist die Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar mit einem alten 9 Fach System. Warum? Kassette und Kette werden seit der 8 Fach Kassette auf derselben Breite aufgebaut. Das bedeutet dass die einzelnen Zahnkränze und die dazu passende Kette immer schmaler geworden sind. Das bedeutet weiter, dass die Systeme anfälliger auf Schmutz reagieren, daher mehr Reinigungs- und Pflegeaufwand benötigen. Zudem kann das Schaltsystem ein grosser Spielverderber werden. Denn eine 12-Fachschaltung muss “gezwungen” viel präziser eingestellt werden als eine 8 oder 9 Fach. Leider ist die Indexierung der Schaltung immer noch mit einem unvorteilhaften Kabelzug mit dem Schaltwerk verbunden. Läuft der Schaltzug nicht mehr wie neu, ist es mit der Schaltpräzision dahin.

Ich kann beim Neukauf eines Bikes eine 12 Fach Schaltung nur empfehlen. Ist man sich den Zweck des Bikes und dessen Antrieb bewusst, kann man die einzelnen Faktoren wie zum Beispiel die Anzahl Zähne des Hauptzahnrades problemlos anpassen. Jedenfalls freue ich mich auf weitere spannende Entwicklungen aus der Industrie, und auf weitere Alpenüberquerungen.

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